Wichtiges über Standard Operating Procedures lesen Sie hier:
1. Von unklaren Zuständigkeiten und ausgelassenen Arbeitsschritten
Ein Familienvater gedenkt, zum Abendessen Leberkäse, Spiegeleier, Kartoffeln und Spinat zu servieren. Seine Frau ist auf Dienstreise, der Sohn macht sich Sorgen wegen der Mathearbeit am nächsten Tag, und die Tochter hat in der Reitstunde soeben den Unfall eines Kameraden miterleben müssen. Dennoch müssen beide nun helfen und wenigstens den Tisch decken.
Das Telephon klingelt, die Schwiegermutter ruft wegen des anstehenden Wochenendes an. Die Kinder zanken sich anstatt zu besprechen, wer was deckt und dann gemeinsam zu überlegen, was noch fehlt. Als der Vater als letztes mit den Spiegeleiern beginnen will, merkt er, daß die Salzkartoffeln zwar auf der Herdplatte stehen, er aber vergessen hat, diese einzuschalten. Als die Familie endlich zu Tisch geht, haben die Kinder fast alles gedeckt, aber die Getränke fehlen. Der Orangensaft ist auch leer, es war nicht klar, wer den nachkaufen sollte.
Solche Szenen vom Familienleben zu Hause sind sicher vielen von uns bekannt. Dort mögen wir das vielleicht als normales Alltagsgeschehen betrachten und uns mit Kreativität und Mitgefühl mit gestreßten Familienmitglieder helfen.
Doch wie soll es im Schockraum einer Klinik zugehen, wenn die Notärztin angekündigt hat, daß das Rettungsteam in zehn Minuten mit einer Unfallpatientin eintreffen wird?
2. Wir bringen Struktur in unsere Arbeitsprozesse
Gerade in einem komplexen Arbeitsumfeld, in dem möglichst wenige Fehler passieren sollen, haben sich SOPs bewährt. Wir betrachten nun Schritt für Schritt, woraus sie bestehen und bleiben dabei beim Beispiel Schockraum.
2.1. Wichtige Inhalte der SOP werden festgelegt
Wie im Beispiel hier, müssen wir natürlich wissen, für welchen Arbeitsprozeß die SOP gelten soll. Des Weiteren müssen wir festlegen:
- wo der Arbeitsprozeß stattfindet, z. B. in welchen Räumen einer Notaufnahme (spezieller Schockraum oder ggf. verschiedene Räume je Fachrichtung, Raum für Computertomographie)
- wer daran beteiligt ist, z. B. Assistenzpersonal, Ärzte verschiedener Fachrichtungen (z. B. Internisten, Chirurgen, Anästhesisten)
- welches Material und welche Gerätschaften die Diensthabenden vorbereiten müssen (z. B. Sonographiegerät, Narkosegerät, Material zur Blutentnahme)
- wer was in welcher Reihenfolge tun wird (z. B. zuerst Übergabe, dann Umlagerung der Patientin, dann Sonographie und Blutentnahme)
- ggf. Entscheidungshilfen für weitere Untersuchungen und Behandlung (z. B. sofortige OP, Verlegung auf die Intensivstation, Konsultation weiterer Fachrichtungen)
2.2. Schemata für vollständige SOPs
Viele Institutionen haben festgelegte Schemata mit einem fixen, übersichtlichen Layout, die sie für ihre SOPs nutzen. So können diese leicht identifiziert werden.
Es ist vorteilhaft, gerade für den wichtigen Hauptteil der SOP ein klares Layout mit nach Möglichkeit standardisierten Überschriften zu verwenden.
Den Hauptteil der SOP machen die im obigen Beispiel angesprochenen Punkte aus:
- klar wird definiert für welche Prozedur die SOP gilt
- wer daran beteiligt ist
- wo die Arbeit ausgeführt wird
- was dafür benötigt wird
- die Arbeitsschritte in der richtigen Reihenfolge, inclusive wer was machen wird
- ggf. Schemata für Entscheidungen, auch als Flußdiagramme
- idealerweise auch, wie die Arbeit evaluiert wird
Für lange SOPs können die Autoren auch ein Titelblatt und ein Inhaltsverzeichnis einfügen. Wenn eine Abteilung viele SOPs zu einem Themenkomplex besitzt, kann sie diese in einem Ordner oder Handbuch zusammenfassen.
In einer SOP steht in eigens dafür vorgesehenen Feldern auch, wer die SOP verfaßt hat und wer sie gegengezeichnet hat. Dazu sind Version und Datum vermerkt. Die beiden letzten Punkte sind mit Blick auf die notwendigen Aktualisierungen interessant.
Eine Standard Operating Procedure, SOP, enthält also in strukturierter Reihenfolge alle Informationen, die für einen bestimmten Arbeitsprozeß notwendig sind, um ihn sicher und vollständig auszuführen.
Im Unterschied zu einfachen Prozeßbeschreibungen ist explizit festgelegt, wer unter welchen Umständen was wo und mit welchem Material machen wird.
3. Anwendungsgebiete und Nutzen von SOPs
An jedem Arbeitsplatz ist es am besten, erst einmal alle Mitarbeiter mit ins Boot zu holen und die SOPs zu einem gemeinsamen Gut zu machen. Das erhöht deren Akzeptanz.
3.1. Gute Kommunikation über die SOPs
Zu einer geschickten Kommunikation der SOPs gehört, daß bei der Etablierung sowie bei der Aktualisierung die Mitarbeiter sich aktiv mit ihren Vorschlägen einbringen dürfen. Bei der Einschulung sollten Neulingen die SOPs gezeigt und alle ihre Fragen dazu beantwortet werden. Bei den Arbeitsabläufen sollten die Beteiligten gemeinsam die SOPs zur Hand nehmen. Wenn sie mit einer SOP gut vertraut sind, können sie diese als Nachschlagewerk bereitlegen und bei Unsicherheiten hineinblicken.
3.2. Anwendungsgebiete
SOPs werden vor allem dann angewendet, wenn komplexe Arbeitsprozesse fehlerfrei ausgeführt werden müssen, zum Beispiel:
- in vielen Abteilungen einer Klinik
- im präklinischen Rettungsdienst, z. B. Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern durch Notfallsanitäter, häufig mit Flußdiagrammen
- an Arbeitsplätzen in der Forschung für Versuche und weitere standardisierte Abläufe, z. B. Pflege von Zellkulturen unter sterilen Bedingungen
- an vielen Hochrisikoarbeitsplätzen, z. B. in der Luftfahrt, Schiffahrt, und im Schienenverkehr für regelmäßig wiederkehrende Arbeitsabläufe
3.3. Vorteile von SOPs
Wenn SOPs konsequent angewandt werden, bringen sie folgende Vorteile:
- für jeden Mitarbeiter ist gut einsehbar dokumentiert, wie eine bestimmte Arbeit ablaufen muß, auch für Neuzugänge
- die Arbeit wird mit gleichbleibender Qualität ausgeführt
- auch wenn verschiedene Mitarbeiter die Arbeit vornehmen, sind Ablauf und Ergebnis so konstant wie möglich
- Verzögerungen und Streß durch vergessene Utensilien, die ein Team dann mitten in der Prozedur suchen muß, werden verhindert
- das Risiko für Fehler, die durch Auslassungen oder Unsicherheiten entstehen, wird minimiert
- durch erfolgreiche Minimierung von Fehlern wird die Sicherheit erhöht, was z. B. bei der Patientenversorgung, in der Luftfahrt oder bei der Arbeitssicherheit in Laboren sehr wichtig ist
4. Perfekte SOPs für Ihre Arbeit
In welchen Arbeitsbereichen haben Sie selbst bereits SOPs? Wenn Sie bereits damit arbeiten, wer hat sie formuliert und wie sehen diese SOPs im Detail aus? Falls Sie bislang noch keine verwenden, gibt es Arbeitsprozesse, bei welchen eine SOP nützlich sein könnte? Falls Sie selbst SOPs generieren wollen, könnten Ihnen die folgenden Schritte dabei helfen.
4.1. Für welche Arbeiten brauchen Sie SOPs?
Zunächst müssen Sie analysieren, welche wiederkehrenden, komplexen Arbeitsabläufe Sie in Ihrem Betrieb haben, für die Sie sich einen festen Ablauf von guter Qualität vorstellen. Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in Ihre Überlegungen mit ein, oder schlagen Sie als Angestellte die Erstellung von SOPs vor.
4.2. Eine feste Formatvorlage für Ihre SOPs
Am besten generieren Sie eine Formatvorlage für Ihre SOPs mit einem übersichtlichen Layout. Suchen Sie sich aus, wie Sie folgende Punkte gestalten wollen:
- Titelblatt
- Inhaltsverzeichnis
- Felder für Autoren, Gegenzeichnende, Datum, Version
- Hauptteil mit eventuellen Vorgaben für Arbeitsbereich, Beteiligte, Material
- eventuelle Evaluation Ihrer Arbeit
- Vorlagen für Flußdiagramme
- Zeitraum für die nächste Akutalisierung
- was Sie selbst für Ihre SOP wichtig finden
4.3. Gegenlesen und gemeinsames Arbeiten mit der SOP
Legen Sie fest, wer Ihre SOPs gegenlesen wird und wie sie diese im Team vorstellen wollen. Überlegen Sie gemeinsam, wie Sie den Einsatz der SOPs während der Arbeit gestalten und nachfolgend ihren Effekt überprüfen wollen.
Legen Sie auch fest, wann Sie die SOPs aktualisieren. Dies wäre natürlich vorteilhaft, wenn sich durch Neuerungen grundlegend etwas an Ihrem Arbeitsprozeß ändert. Zusätzlich können Sie fixe Zeiträume festhalten, nach welchen Sie die Notwendigkeit einer Anpassung prüfen.
5. Wissenswertes über Risiken im nächsten Blogartikel
Es gibt Risiken, die wir in Kauf nehmen müssen, um ein höheres Ziel zu erreichen. Wie gehen wir mit ihnen um, um möglichst unbeschadet an unser Ziel zu gelangen? Welche riskante Verhaltensweisen sollten wir besser vermeiden, da sie Fehler nach sich ziehen oder fatale Konsequenzen haben können? Wir werden uns mit Beispielen aus dem Rettungsdienst und der Luftfahrt befassen.
Autorin: Eva-Maria Schottdorf
Datum: 27. Februar 2023
Auf meiner Blogseite habe ich weitere Blogartikel für Sie verlinkt.