Über interdisziplinäre Teamarbeit an verschiedenen Einsatzstellen, Kommunikation und Vorbereitung lesen Sie hier:
1. Teamarbeit an der Einsatzstelle umfaßt zahlreiche Disziplinen
Die Aufgaben während eines Einsatzes können nicht immer vom Rettungsdienst alleine bewältigt werden. Deshalb arbeiten wir oft mit anderen Teams verschiedener Fachrichtungen zusammen. Wir werden gemeinsam erfolgreich sein, wenn wir alle unser spezifisches Wissen und Können, aber auch eine professionelle Einstellung mit an die Einsatzstelle bringen.
Konstruktive Zusammenarbeit, präzise Kommunikation und kontinuierliche Koordination zwischen allen involvierten professionellen Teams sind essentiell.
In diesem Artikel werden wir auch potentielle Schwierigkeiten beleuchten, die durch Unterschiede in den Betriebskulturen, Hierarchien und in der Kommunikation bedingt sind. Wir werden ergründen, was uns dabei hilft, diese Unterschiede zu überbrücken, wie wir uns auf die interdisziplinäre Teamarbeit vorbereiten können und wie wir sie an der Einsatzstelle umsetzen.
1.1. Eine kurze Wiederholung der verschiedenen Arten von Einsatzstellen
Bevor wir einen näheren Blick auf die Teams werfen, die den Patienten oder Opfern helfen, werden wir die verschiedenen Arten von Einsatzstellen kurz wiederholen. Wie wir im ersten Artikel dieser Serie erarbeitet haben, können Notfälle überall passieren, zum Beispiel in der Wohnung einer Patientin, am Arbeitsplatz, auf der Straße oder auf Baustellen. Zu jeder Zeit sollten wir die bestmögliche Sicherheit an der Einsatzstelle etablieren.
1.2. Welchen Teams begegnen Rettungskräfte während eines Einsatzes?
Die untenstehende Graphik zeigt Ihnen die Teams von Spezialisten, mit welchen wir in allen Phasen eines Einsatzes potentiell zusammenarbeiten werden.
Rettungsteams kommunizieren mit der Leitstelle während des gesamten Einsatzes
Nachdem wir die Alarmierung erhalten haben, kann uns die Leitstellendisponentin mit ersten Informationen versorgen. Sie kann weitere zusammentragen, während wir auf der Anfahrt sind. Wir kontaktieren sie üblicherweise sofort, wenn wir feststellen, daß wir Hilfe an der Einsatzstelle benötigen. Wir werden sie auch anfunken, um eine erste Lagemeldung von einer Unfallstelle zu geben (Anzahl der Fahrzeuge und Personen, Verletzungsgrad, u. a. m.). Unser Status, zum Beispiel „auf dem Weg zum Spital“, wird der Leitstelle während des gesamten Einsatzes übermittelt, ebenso wie jede notwendige Mitteilung.
In vielen Situationen profitieren wir von der Hilfe der folgenden Teams
Weil es der Sinn dieses Artikels ist, die Prinzipien und Techniken zu besprechen, welche die Zusammenarbeit erleichtern, werden wir uns auf die Teams konzentrieren, auf die Rettungsteams am häufigsten treffen, nämlich die Polizei, die Feuerwehr und Kriseninterventionsteams. In Abhängigkeit von der geographischen Lokalisation arbeitet der Rettungsdienst auch mit der Bergrettung, der Wasser- oder der Seenotrettung zusammen.
Bei Großschadenslagen umfaßt die interdisziplinäre Teamarbeit hochspezialisierte Teams
Im nächsten Artikel, in welchem wir uns mit komplexeren Notfällen befassen wollen, werden wir weitere Rettungskräfte mit hinzunehmen. Diese werden das Technische Hilfswerk, THW, Schnelleinsatzgruppen, SEGs sowie Rettungshundestaffeln beinhalten. Bei Zugunglücken sendet die Bahn spezielle Notfallteams and den Unfallort, die sich um die technischen Schwierigkeiten, die ein solcher Unfall verursacht, kümmern. Das Militär hilft bei Naturkatastrophen. Nach einem Anschlag überwältigt ein Spezialeinsatzkommando, SEK, den Täter, sofern dies möglich ist.
Wann und wie wir mit dem Spital Kontakt aufnehmen
Sobald ein Rettungsteam eine Diagnose gestellt hat, muß es mit dem nächstgelegenen geeigneten Spital Kontakt aufnehmen, das über die Abteilung verfügt, die der Patient benötigt. Dies kann das Herzkatheterlabor, der Schockraum, eine Schlaganfallabteilung oder eine gewöhnliche Station sein.
Gemäß des jeweils etablierten Procederes, sprechen wir mit dem diensthabenden Arzt oder Krankenpfleger. Unsere Information beinhaltet das Patientenalter und -geschlecht, den aktuellen Zustand, unsere Arbeitsdiagnose, jegliche relevante Nebendiagnose sowie die Behandlung, welche wir bislang begonnen haben. Wir rufen das Spital stets erneut an, wenn sich irgend etwas ändert. Zum Beispiel kann sich der Patientenzustand rasch verschlechtern. Dann werden manchmal Maßnahmen wie eine Allgemeinnarkose, Intubation und künstliche Beatmung notwendig.
2. Potentielle Schwierigkeiten bei der interdisziplinären Teamarbeit
2.1. Betriebskulturen, Aufgaben und Fachbegriffe
Diese Schwierigkeiten bei der interdisziplinären Teamarbeit sind teilweise durch die Unterschiede in Kommandostrukturen und Hierarchien bedingt. Verschiedene Teams führen verschiedene Arbeiten unter Zuhilfenahme ihrer professionellen Ausrüstung aus, was Spezialwissen erfordert. Die Fachleute nutzen ihre eigenen Fachbegriffe unter ihresgleichen, was notwendig ist, wenn sie klar und effizient kommunizieren wollen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Land haben der Rettungsdienst und die Feuerwehr diesselbe Funkfrequenz, während die Polizei über ihre eigene verfügt.
2.2. Die Relevanz von Übergaben und Zusammenfassungen
Leider kommt es auch vor, daß ein höher qualifiziertes Team, das gerade an der Einsatzstelle angekommen ist, schnell mit der Arbeit beginnen möchte und nicht konzentriert der Zusammenfassung lauscht, die das Team, was sich bis dahin um die Patientin gekümmert hatte, für sie vorbereitet hat. Dieser Fehler wird von höher qualifizierten Notfallsanitätern genauso gemacht wie von Notärzten, inclusive denjenigen, die in ihrem Hubschrauber zur Einsatzstelle gelangen. Um dies zu verbessern, können wir alle nur an unserer professionellen Einstellung arbeiten.
Bei Übergaben und Zusammenfassungen sorgfältig zuzuhören ist essentiell, wenn wir den Verlust von relevanten Informationen verhindern wollen.
3. Die Vorbereitung auf die interdisziplinäre Teamarbeit
In diesem Unterkapitel werden wir herausarbeiten, wie wir die potentiellen Schwierigkeiten überwinden, indem wir aufeinander zugehen und einander kennenlernen.
3.1. Gegenseitige Besuche und Informationsgewinn
Solche Besuche dienen dazu, etwas über die Aufgaben, die Ausrüstung und die technischen Begriffe zu erfahren, die andere professionelle Teams verwenden. Zum Beispiel können manchmal die Disponenten in ihrer Leitstelle besucht werden.
Notärzte, die nach Sassnitz auf Rügen kommen, um freiberuflich zu arbeiten, besuchen üblicherweise die dortige Station der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, DGzRS. Dort lernen sie die lokale Crew kennen und sind eingeladen, das Rettungsschiff zu begehen, da gemeinsame Rettungsaktionen von Zeit zu Zeit vorkommen.
3.2. Weiterführende Kurse
In Deutschland und Österreich ist der Kurs „Leitender Notarzt“ ein klassisches Beispiel für eine umfassende Weiterbildung. Darin lernen die Teilnehmer, die Rettungsaktionen, die von verschiedenen Teams bei einem Massenanfall von Verletzten vorgenommen werden, zu koordinieren. Natürlich macht eine leitende Notärztin die Arbeit nicht alleine, sondern in enger Koordination mit dem Notfallsanitäter, der als sogenannter organisatorischer Leiter fungiert sowie mit dem Kommandanten der Feuerwehr und der Polizei im Falle eines Anschlages.
3.3. Großschadensübungen
Diese großangelegten Übungen erfordern extensive Vorbereitungen, da sie nicht nur zahlreiche Berufsgruppen, sondern auch Schauspieler, die die Opfer mimen werden sowie viele Fahrzeuge und große Mengen von Verbrauchsmaterial aller Art umfassen. Ein solches Ereignis zu veranstalten, ist teuer, was ein weiterer Grund dafür ist, daß diese nicht sehr oft organisiert werden. Doch solche Übungen bieten wertvolle Lerngelegenheiten.
3.4. Eine gemeinsame strukturierte Nachbesprechung nach dem Einsatz
Wenn mehrere Teams während einer größeren Rettungsaktion zusammenarbeiten, wird nicht alles reibungslos funktionieren. Die Nachbesprechung nach einem solchen Einsatz ist dafür gedacht, zu beleuchten, was gut gemacht wurde und um Schwächen aufzudecken, die ausgemerzt werden sollten. Die Atmosphäre sollte ruhig, freundlich und konstruktiv sein. Zum Abschluß sollten die Hauptlernpunkte zusammengefaßt und Schritte zur Verbesserung daraus abgeleitet werden.
4. Kollaboration, Kommunikation und Koordination
Es ist unerläßlich, daß die Teams gut kooperieren, während sie die Schritte einer Rettungsaktion planen und ausführen. Dies wird ihnen dabei helfen, sicher und effizient zu arbeiten.
4.1. Kollaboration ohne Starallüren
Ein wichtiger Aspekt der interdisziplinären Teamarbeit ist der gegenseitige Respekt, den sich die Teams entgegenbringen. Niemand an der Einsatzstelle sollte sich anderen Spezialisten überlegen fühlen.
Wir werden einen größeren Erfolg verbuchen, wenn wir nicht versuchen, der herausragende Held zu sein, sondern mit jedem Team auf Augenhöhe kollaborieren.
Es ist essentiell, daß jeder versteht, warum ein Team an der Einsatzstelle anwesend ist, und welches Team bei welcher Aufgabe helfen wird. Es wird uns bei der Zusammenarbeit helfen, das Wissen aus unseren Vorbereitungen anzuwenden.
Besonders an chaotischen Einsatzstellen mit vielen Opfern, Gefahren wie aus verunfallten Fahrzeugen auslaufende Betriebsmittel und vielen Rettungskräften, die sich um ihre jeweiligen Patienten kümmern, helfen uns klar beschriftete Einsatzkleidung und Helme, diejenige Person zu identifizieren, der wir wichtige Informationen weitergeben wollen.
4.2. So kommunizieren wir alle wichtigen Informationen
Wie Sie wissen, werden Kommunikationstechniken, wie geschlossene Kommunikationsschleifen, benutzt, wann immer CRM angewandt wird. Nachfolgend werden wir ergründen, was an einer Einsatzstelle kommuniziert werden muß.
Alle professionellen Rettungskräfte sollten sich vorstellen
Lassen SIe uns Notärzte als Beispiel herausgreifen. Wenn sie an einer Einsatzstelle ankommen, werden sie sich dem Rettungsteam vorstellen, das den Patienten bis zu diesem Zeitpunkt versorgt hat. Im Falle eines größeren Unfalles werden sie zunächst zum Kommandanten der Feuerwehr gehen, um sich mit Namen und Funktion vorzustellen und um erste Informationen zu erfragen. Daraufhin können die Feuerwehrleute, Sanitäter und der Arzt die nächsten Schritte zusammen koordinieren.
Wir setzen die Kommunikation fort
Eine Rettungsaktion beinhaltet häufig mehrere Phasen, wie die Gabe von Medikamenten und das Anlegen von Verbänden, bevor ein Patient zur Trage getragen werden kann. Während all dieser Schritte ist es nötig, daß jedes Teammitglied, das an einer bestimmten Aktion beteiligt ist, genau weiß, was gerade geplant wird. Jeder sollte das übergeordnete Gesamtziel kennen. Wir werden das Beispiel im nächsten Unterkapitel nutzen, um die Rolle der Kommunikation in der Koordination der Teamarbeit hervorzuheben.
Wenn das Rettungsteam bereit ist, die Einsatzstelle zu verlassen und den Patienten zum Spital zu bringen, fragen die Teammitglieder andere Teams am Notfallort, ob diese noch irgend welche Informationen benötigen. Zum Beispiel muß die Polizei üblicherweise mit dem Patienten sprechen, wann immer dieser bei Bewußtsein ist. Normalerweise fragen die Beamten auch den Notarzt oder die Notfallsanitäterin nach dem Schweregrad der Verletzungen.
Bevor wir einen Notfallort verlassen, danken wir anderen Teams immer für ihren Beitrag.
Nach einem größeren Ereignis und wann immer die Zeit es erlaubt, versuchen wir, eine gemeinsame Nachbesprechung abzuhalten, sobald die Rettungsaktion beendet ist.
4.3. Wie Kollaboration und Kommunikation die Koordination ermöglichen
Lassen Sie uns eine Situation betrachten, die häufiger vorkommt.
Ein Treppenhaus ist zu eng, und die Drehleiter wird benötigt
Stellen Sie sich einen Patienten mit einer gebrochenen Hüfte vor, der in einem oberen Geschoß am Boden liegt. Das Treppenhaus ist sehr eng. Nun brauchen wir die Feuerwehr, damit sie uns mit ihrer Drehleiter hilft, den Patienten von einem Fenster aus sicher hinaus auf die Straße zu bringen.
Zwei Teams, Rettungsdienst und Feuerwehr, kommunizieren die anstehende Aufgabe
Unsere Kommunikation beinhaltet u. a. die folgenden Aspekte:
- medizinische Interventionen, bevor der Patient transportiert werden kann
- wer den Patienten auf welche Weise zum offenen Fenster tragen wird
- welche Ausrüstung während der Fahrt nach unten gebraucht werden wird (z. B. ein Monitor nach Gabe bestimmter Schmerzmittel)
- wer den Patienten begleiten wird (ist auch genügend Platz für die Notärztin oder einen Sanitäter im Korb der Drehleiter?)
Jetzt wird die interdisziplinäre Teamarbeit koordiniert
In der Zeit, in der die Notärztin und die Sanitäter den Patienten behandeln, bringen die Feuerwehrleute ihre Drehleiter in Position. Zusätzlich müssen sie die Einsatzstelle draußen auf der Straße gut absichern. Insbesondere dann wenn der Patient übergewichtig ist, tragen das Rettungsteam und die Feuerwehr ihn gemeinsam. Während all dieser Aktivitäten bereitet ein Sanitäter die Trage vor, sodaß alles bereit ist, wenn der Patient unten ankommt.
5. Ein Kriseninterventionsteam wird benötigt
Wenn jemand soeben einen geliebten Menschen verloren hat oder ein Familienmitglied gerade schwer verletzt wurde, fragen wir die Angehörigen immer, ob sie ein Kriseninterventionsteam wünschen, das ihnen während der ersten Stunden nach dem tragischen Ereignis zur Seite steht. Manchmal ist die Anwsenheit von Familienmitgliedern oder Freunden ausreichend, doch in manchen Fällen nehmen die Menschen unser Angebot dankbar an.
Ein Kriseninterventionsteam besteht üblicherweise aus zwei Personen, doch manchmal und in manchen Regionen kann es auch eine sein. Mancherorts sind die Mitglieder solcher Teams Seelsorger, in anderen können es auch Sanitäter und Freiwillige sein, die die entsprechende Ausbildung absolviert haben.
Immer wenn wir ein Kriseninterventionsteam an den Notfallort nachfordern, wird es etwas dauern, bis es dort eintrifft. Ganz gleich, ob wir das Team persönlich antreffen oder nicht, versuchen wir immer, es zu kontaktieren und den Teammitgliedern mitzuteilen, was wir über das Ereignis wissen. Unser Informationen beinhalten nicht nur, was passiert ist, sondern auch, um was für eine Beziehung es sich zwischen Opfer und den betroffenen Personen handelt. Wir berichten auch über mögliche Umstände, die die Situation noch zusätzlich erschweren können, wie den rezenten Verlust eines Familienmitgliedes.
6. Im August sehen wir uns wirklich gefährliche Einsätze an
Auch wenn die Mitglieder von Rettungsteams darauf vorbereitet sind, an grauenhaften Einsatzorten zu arbeiten, wünscht sich niemand, daß sich eine größere Katastrophe ereignet. Doch wie können wir die Sicherheit maximieren, wenn wir zu einem Großschadensereignis oder einem hinterhältigen Anschlag gerufen werden? Welches Team wird welche Aufgabe übernehmen, um zu versuchen, sovielen Opfern wie möglich in der bestmöglichen Weise zu helfen?
Autorin: Eva-Maria Schottdorf
Datum: 30. Juli 2024
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